Als Delir wird eine akute, vorübergehende, meist reversible fluktuierende Störung der Aufmerksamkeit, der Kognition und des Bewusstseinsniveaus bezeichnet. Charakteristisch für das Delir ist eine gleichzeitig bestehende Störung:

01_des Bewusstsein und der Aufmerksamkeit

Umgangssprachlich würde man von Unaufmerksamkeit sprechen. Die Ausprägung kann zwischen leichter Bewusstseinsminderung und Koma liegen, mit reduzierter Fähigkeit, die Aufmerksamkeit zu konzentrieren, aufrechtzuerhalten und umzustellen (Test: z.B. Patienten*innen rückwärts zählen lassen)

02_des Denkens, des Gedächtnisses, der Wahrnehmung und Orientierung

03_der Psychomotorik bzw. des Antriebes

04_des Schlaf-Wach-Rhythmus

05_der Emotionalität bzw. des Affektes

Für betroffene Patienten*innen, die ein Delir erlitten haben, wird das Erlebte teils wie ein Albtraum beschrieben. Dieser lässt sich in ihrem Zustand nicht von der Realität unterscheiden. Sie sind in ihrer eigenen Realität gefangen (halluzinieren), sodass sie Dinge sehen, hören oder fühlen, die für sie existieren, für Außenstehende aber nicht nachvollziehbar sind.

Es besteht häufig eine globale Störung aller Prozesse, die mit dem Wahrnehmen und Erkennen zusammenhängen.
Besonders betroffen sind:

Die Symptome eines Delirs fluktuieren über Minuten bis Stunden; sie können tagsüber zurückgehen und sich in der Nacht verschlechtern. Durch diesen akuten Beginn und den fluktuierenden (schwankenden) Verlauf der Symptomatik lässt sich das Delir auch von einer Demenz unterscheiden.

Das Delir kann in jeder Altersgruppe auftreten, wobei es bei älteren Patienten*innen deutlich häufiger auftritt. Insbesondere ein höheres Lebensalter (>60 Jahre) mit einhergehender Multimorbidität und vielfältiger Medikamenteneinnahme erhöhen das Risiko, während eines Krankenhausaufenthaltes ein Delir zu erleiden.
Die meisten Fälle des Delirs werden häufig nicht erkannt. Auch von medizinischem Personal wird regelmäßig gefragt, ob der/die Betroffene denn Alkoholiker*in oder tablettenabhängig sei, wenn ein Delir diagnostiziert wird. Ein sogenanntes Alkoholentzugssyndrom mit Delir oder ein Entzugsdelir sind wichtige Untergruppen, stellen aber insbesondere bei Patienten*innen im höheren und hohen Lebensalter nur einen relativ kleinen Anteil der deliranten Zustandsbilder dar.

Die folgende Aufzählung zeigt, wie sich das Risiko mit zunehmendem Lebensalter erhöht. Beeinflusst wird der Faktor Lebensalter durch die Art der Unterkunft und der zugrundeliegenden Erkrankung:

Das Schaubild zeigt deutlich, dass im stationären Sektor und unter invasiven Behandlungsmethoden das Risiko exponentiell steigt.

Ebenfalls häufig tritt das Delir nach Operationen und bei Bewohnern*innen von Pflegeheimen und Patienten*innen auf Intensivstationen auf. Wohingegen ein Delir bei jüngeren Patienten*innen meist auf Grund von Drogenkonsum oder einer lebensbedrohlichen systemischen Krankheit ausgelöst wird.

Aus dem Auftreten eines Delirs resultieren häufig verlängerte Krankenhausaufenthalte (teils durch eine erhöhte Komplikationsrate), ein erhöhter Bedarf an institutioneller Weiterversorgung sowie eine vermehrte Immobilität der betroffenen Patienten*innen. Meist bestehen diese Immobilität zum Entlassungszeitpunkt und bis zu sechs Monate danach.

Nur ein geringer Anteil der deliranten Patienten*innen werden erkannt. Insbesondere im stationären Sektor werden ein Großteil der Delire nicht erkannt. Besonders betroffen sind Patienten*innen mit einem hypoaktiven Delir, diese bleiben bei den derzeitigen Screeningmethoden meist unentdeckt. Insbesondere hier muss ärztliches und pflegerisches Personal geschult werden und für das Thema sensibilisiert werden. Aber auch die Aufklärung und Sensibilisierung von Angehörigen kann bei der Prävention des Delirs hilfreich sein.

Aus diesem Grund arbeiten wir gemeinsam, mit der Unterstützung der Robert Bosch Stiftung, an einer vernetzten Aufklärung und Sensibilisierung des Themas.

Hierzu bietet Ihnen die Website allgemeine und vielfältige Informationen zum Thema Delir, gibt Ihnen Tipps und Instrumente (bspw. Logbuch Delir) an die Hand und stellt Ihnen Kooperations- und Ansprechpartner*innen zu dem Thema vor.

Es gibt verschiedene Erscheinungsformen eines Delirs; der Zustand kann sich in einer sogenannten hyperaktiven, hypoaktiven oder in einer Mischform äußern. Letzteres ist die häufigste Erscheinungsform. Der Beginn ist akut und flutkuiert üblicherweise im Tagesverlauf. Geistig unklare und geistig verwirrte Phasen wechseln sich unvorhersehbar ab. Der verwirrte Zustand ist meist vorübergehend und reversibel.

Hypoaktives Delir

Hyperaktives Delir

Gemischtes Delir

Die Ursachen können fast jede Krankheit oder Arzneimittelwirkung umfassen. Die Diagnose wird klinisch gestellt, Labortests und üblicherweise Bildgebungsverfahren dienen der Ursachenklärung. Die Behandlung besteht in der Korrektur der zugrunde liegenden Störung und unterstützenden Maßnahmen. An den verschiedenen Abteilungen unserer Krankenhäuser, in den Alten- und Pflegeheimen wie auch im häuslichen Umfeld treten delirante Zustandsbilder beim alten Menschen aus den verschiedensten Ursachen auf. Diese Zustandsbilder führen häufig zu Einweisungen ins Krankenhaus bzw. zu Verlegungen in geriatrische oder psychiatrische Abteilungen innerhalb eines Krankenhauses. Das Delir stellt dabei eine gefährliche Komplikation zum Beispiel im Rahmen chirurgischer Eingriffe und nach Narkosen dar. Folgende Faktoren erhöhen das Risiko ein Delir zu erleiden:

Patient*in

Umgebung

Prozeduren

Medizinisch

Je mehr dieser prädisponierenden Risikofaktoren bei Patienten*innen zusammen kommen, desto grösser ist das Risiko eines Delirs. Entsprechend genügt dann ein kleiner zusätzlicher Reiz, um ein solches auszulösen. Als auslösenden Reiz kann bspw. Stress aufgrund des vorbestehenden Eingriffs, Krankenhausaufenthaltes etc. ausreichen.

Bei genauerer Betrachtung ergibt sich aber ein Netz aus Ursachen, die für die Entstehung des Delirs verantwortlich sind:

Vorab

Individuelle, besonders anfällige Risikofaktoren

Allgemeine auslösende Faktoren 

weitere Faktoren

Bei einem Hinweis auf eine kognitive Beeinträchtigung liegt das Hauptaugenmerk auf einer formalen Untersuchung des psychischen Status (mentalen Status). Insbesondere fremdanamnestische Erhebungen durch Angehörige oder Pflegepersonal sind zur Status-Einschätzung sehr wichtig. Aus diesem Grund bieten wir unter anderem unser Logbuch Delir an, da es dem/ der behandelnden Arzt*in und Pflegepersonal bei der Diagnosefindung unterstützt. Im Vordergrund steht hier die Sozialanamnese, die Vorerkrankungen und Gewohnheiten der Patienten*innen.

Ein weiterer wichtiger Indikator ist die Aufmerksamkeit.
Dies wird mit Hilfe von leichten Tests geprüft, zum Beispiel:
> die sofortige Wiederholung der Namen von 3 Gegenständen
> oder das Benennen der Wochentage vorwärts und rückwärts.

Dabei ist es wichtig, eine Unaufmerksamkeit (Patient*in nimmt Anweisungen oder andere Informationen nicht zur Kenntnis) von einem schlechten Kurzzeitgedächtnis (Patient*in nimmt Informationen auf, vergisst sie aber sehr schnell) zu unterscheiden. Weitergehende kognitive Tests sind bei Patienten*innen, die Informationen nicht aufnehmen können, zwecklos.

Ein solcher Test ist die Confusion Assesment Method (kurz: CAM). Dieser standardisierte diagnostische Test ist für eine rasche Delireinschätzung gut geeignet. Dies ist ein sogenanntes Screening-Instrument, mit dem der mentale Status des Betroffenen geprüft wird. Hier werden folgende Punkte abgefragt:

1. Besteht ein akuter Beginn und fluktuierender Verlauf?

2. Besteht eine Störung der Aufmerksamkeit?

3. Leidet der/die Patient*in unter Denkstörungen?

4. Besteht eine quantitative Bewusstseinsstörung?

Jeder Zustand außer „wach“

Die Kombination verschiedener Aspekte, die bejaht werden, kann den Verdacht eines Delir bestätigen.
Natürlich werden in Folge dessen auch Labordiagnostik und andere Diagnostikmaßnahmen ergriffen, die die Diagnose stützen oder den Grund für das Delir darlegen.

In jedem Falle ist die stationäre Aufnahme und Behandlung des Delirs empfohlen.

Das Delir ist eine akute Notfallsituation, die weitreichende Folgen für die Patienten*innen hat:
–    eine höhere Mortalität
–    ein hohes Selbstgefährdungspotential
–    ein schlechteres Behandlungsergebnis und/ oder ein längerer Klinikaufenthalt
–    eine dauerhaft kognitive Verschlechterung (bis hin zur Demenz)

Meist entwickelt sich das Delir im stationären Aufenthalt neben einer anderen Diagnose/ Behandlung (bspw. nach einer Hüft-OP). Folgendes Schema wird bei der Therapie meist durchlaufen:

1. Feststellung und Behandlung/ „Beseitigung“ der delirogenen Ursachen > vordergründig mit nicht medikamentöser Therapie

2. Einsetzen von medikamentöser Therapie

Kurz:

Oftmals ist das Problem, dass wir folgende Komponenten nicht kennen:

Daher ist es unser Anliegen, möglichst zeitnah:

Dies wollen wir zum einen durch Aufklärung und diese Website schaffen, aber auch indem wir präventive Maßnahmen ergreifen:

Prävention, die durch das Logbuch unterstützt wird

Pflegerische Prävention

Ein delirantes Zustandsbild kann eine Demenz überlagern oder sich zu einer Demenz weiterentwickeln (ca. ein Drittel der Patienten*innen, welche ein Delir entwickelt hatten, erkranken innerhalb von wenigen Jahren an einer Demenz).
Auch wenn beide Erkrankungen sich überlagern können und in Ihrer Symptomatik teils Ähnlichkeiten aufweisen, lassen sich folgende Unterscheidungen festhalten:

Merkmal

Delir

Demenz

Beginn

Plötzlich/ akut, über Stunden bis Tage, Verschlechterung meist nachts

Über Jahre: Langsam und schrittweise, mit unsicherem Anfangspunkt

Dauer

Tage bis Wochen, allerdings möglicherweise auch länger

Normalerweise dauerhaft

Ursache

Fast immer eine Störung  der Botenstoffe an den Schaltstellen im Gehirn (z.B.: Infektion, Dehydrierung, Gebrauch oder Entzug bestimmter Arzneimittel/Drogen)

Üblicherweise eine chronische Erkrankung des Gehirns (z.B.: Alzheimer-Demenz, Demenz mit Lewy-Körperchen, vaskuläre Demenz)

Verlauf

Fluktuierend und üblicherweise reversibel (rückläufig bei Behandlung)

Langsam fortschreitend und kontinuierlich

Effekt in der Nacht

Starke Unruhe

Leichte Unruhe

Aufmerksamkeit

stark beeinträchtigt, wechselhaft

normal, bis die Demenz schwer wird

Bewusstseinsniveau

Variabel beeinträchtigt

Unbeeinträchtigt, bis die Demenz schwer wird

Orientierung bzgl. Zeit und Ort

Variiert

Beeinträchtigt

Gebrauch von Sprache

Langsam, oft inkohärent und unangemessen

Manchmal Schwierigkeiten, das richtige Wort zu finden

Gedächtnis

Variiert

Verloren, v. a. im Hinblick auf jüngste Ereignisse

Notwendigkeit, einen Arzt aufzusuchen

Sofort

Erforderlich, aber weniger dringend

Ein Delir beeinträchtigt die weitere Prognose der Patienten*innen: Denn je länger ein Delir besteht und je schwerer der Verlauf ist, desto höher ist das Risiko für kognitive Folgeschäden. Insbesondere Patienten*innen mit vorbestehenden neurokognitivem Defizit (bspw. Demenz) erreichen nach einer Delirepisode häufig nicht mehr das geistige Ausgangsniveau.

Ein Delir kann vollständig ausheilen, allerdings können die Symptome bei bis zu einem Drittel der Betroffenen bestehen bleiben.

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